Beschreibung des Rechtsbegriffs Geltung:
Die juristische Terminologie ist reich an komplexen Begriffen, die auf vielfältige Art und Weise in der Rechtsprechung und -lehre verwendet werden. Einer dieser Begriffe ist „Geltung“. Dieser Begriff hat im deutschen Rechtssystem eine zentrale Bedeutung, denn er bezeichnet die Wirksamkeit und Anerkennung einer Norm, Regel oder Rechtsvorschrift innerhalb einer bestimmten Rechtsordnung. Geltung beschreibt demnach den Zustand, in dem ein Rechtssatz anerkannt und angewandt wird und somit rechtliche Wirkung entfaltet.
Geltung ist ein abstrakter Terminus, der mehrere Dimensionen umfasst. So können wir von der formalen Geltung einer Rechtsnorm sprechen, wenn sie den vorgeschriebenen Weg der Gesetzgebung durchlaufen hat und ordnungsgemäß verkündet wurde. Damit wird sie rechtlich bindend für die Gesellschaft und die darin lebenden Individuen. Eine Norm hat jedoch nicht nur dann Geltung, wenn sie formal korrekt erlassen wurde, sondern auch dann, wenn sie tatsächlich von den Rechtssubjekten befolgt wird, also eine soziale Geltung hat. Hier greift die Unterscheidung zwischen der bloßen Existenz einer Norm und ihrer tatsächlichen Durchsetzung und Befolgung in der Gesellschaft.
Die materielle Geltung wiederum richtet den Blick auf den Inhalt der Norm und darauf, ob dieser rechtmäßig und verfassungskonform ist. Eine Norm, die gegen höherrangiges Recht verstößt, kann folglich in Frage gestellt werden – und möglicherweise ihre Geltung verlieren, wenn sie gegebenenfalls durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wird.
Die faktische Geltung einer Norm betont die wirkliche Durchsetzbarkeit und die Fähigkeit einer rechtlichen Regel, tatsächliches Verhalten zu steuern. Dieser Umstand spielt besonders in der Rechtssoziologie eine Rolle, da hier beobachtet wird, wie Gesetze das Zusammenleben der Menschen prägen – oder eben nicht prägen, wenn sie beispielsweise nicht angewendet oder umgesetzt werden.
Juristische Geltung hat auch eine zeitliche Komponente. Ein Gesetz tritt zu einem bestimmten Stichtag in Kraft und hat ab diesem Zeitpunkt Geltung. Es kann aber durch ein neues Gesetz abgelöst werden, womit seine Geltung endet.
Rechtlicher Kontext, in dem der Begriff Geltung verwendet werden kann:
Ein Beispiel für die Anwendung des Begriffs in einem konkreten Kontext ist die Geltung von Gesetzen im Bereich des Arbeitsrechts. Betrachten wir zum Beispiel das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Nach dessen Erlass und Verkündung – und damit dem Erreichen der formalen Geltung – ist es für alle Arbeitsverhältnisse in Deutschland anwendbar. Hierdurch wird es für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich, die gesetzlich festgelegten Urlaubstage zu gewähren bzw. zu nehmen. Die materielle Geltung des Bundesurlaubsgesetzes bedeutet zudem, dass seine Inhalte im Einklang mit dem Grundgesetz stehen und deshalb von den Arbeitsgerichten bei Streitigkeiten als rechtlicher Maßstab herangezogen werden.
Ein weiteres Beispiel findet sich im Verfassungsrecht. Hier spielt die Geltung des Grundgesetzes, also der deutschen Verfassung, eine zentrale Rolle. Nach seiner Verabschiedung am 23. Mai 1949 und seiner Verkündung hat das Grundgesetz formale Geltung erlangt und ist somit die rechtliche Grundordnung Deutschlands. Dieses fundamental rechtliche Dokument garantiert Grundrechte und bindet die gesamte Rechtsordnung an seine Aussagen – also an seine materielle Geltung. Die Normen des Grundgesetzes sind höherrangiges Recht und alle nachfolgenden Gesetze müssen sich nach ihnen richten, um materielle und formale Geltung erlangen zu können.
Die Geltung eines Rechtssatzes – sei es in Form eines Gesetzes, einer Verordnung oder einer anderen rechtlichen Bestimmung – zu verstehen und zu erkennen, ist eine der Säulen juristischer Fachkenntnis. Die effektive Anwendung des Rechts hängt nicht nur von seinem formalen Bestand, sondern auch von seiner Akzeptanz und Durchsetzung in der Praxis ab. Juristen müssen daher sowohl die rechtstheoretischen Konzepte als auch die soziale Wirklichkeit betrachten, um das Recht in seinem vollen Umfang zu erfassen und anzuwenden.
